GAP Tagblatt vom 28.03.2025
Oberammergau – Es ist das Schicksal einer erfolgreichen Athletin: Anna-Maria Rieder steht vor dem heimischen Schrank und weiß nicht, wohin mit ihren ganzen Auszeichnungen. Vier Glaskugeln, eine große und drei kleine, zieren schon das Möbelstück der Para-Skifahrerin. Damit ist es voll. Doch hält sie einen weiteren Pokal des kleinen Formats in der Hand. Da es einen neuen Schrank erstmal nicht geben wird, „muss ich einen anderen besonderen Platz für die Glaskugel finden“. Die symbolisiert eine erneut starke Saison der 25-Jährigen aus Oberammergau.
Nach dem Winter 23/24 hatte sich Rieder keine Gedanken um den Platzmangel auf ihrem Schrank machen müssen. Zwar stand sie mehrfach auf den Podesten der Disziplinwertungen sowie im Gesamtweltcup, doch nie ganz oben. Entsprechend gab es keine weitere Glaskugel. Jetzt bekam ihre Sammlung wieder Zuwachs. Rieder erhielt den gläsernen Pokal als beste Slalomfahrerin. Diesen Status unterstrich sie bei den finalen Rennen in Veysonnaz (Schweiz) nochmals. In Slalom eins war sie noch mit angezogener Handbremse gefahren, nicht am Limit – und wurde Vierte. Einen Tag später, beim letzten Wettkampf des Weltcups, gab sie Vollgas und distanzierte die Konkurrenz. „Die Saison mit einem Sieg abzuschließen, ist natürlich perfekt.“
Weniger zufrieden zeigte sie sie mit ihren Auftritten in der Schweiz bei den drei Riesenslaloms. Rieder verpasste das Stockerl als Vierte, Fünfte und Sechste jeweils knapp, war sich des Grundes aber bewusst: Die Piste de l‘Ours verläuft Großteils im Flachen. Nicht Rieders Lieblingsmetier. Als eine der leichtesten Fahrerinnen des Feldes hat sie es schwer, Geschwindigkeit aufzubauen. Dennoch erhoffte sie sich mehr. So konnte sie Rang zwei in der Disziplinwertung nicht verteidigen, wurde Dritte. Dieselbe Position belegt sie auch im Super-G-Abschlussklassement. Keine Glaskugel gab es heuer für die beste Abfahrerin. Warum? Es wurden lediglich zwei Rennen im Januar in Santa Caterina (Italien) ausgetragen, drei weitere sollten Anfang März in Sella Nevea folgen. Doch mangels Schnee fielen sämtliche Wettkämpfe an der Grenze zwischen Italien und Slowenien aus – und somit auch die Abfahrtswertung.
Ergibt summa summarum für Rieder: Platz zwei im Gesamtweltcup. Die große Glaskugel hatte Rieder 2023 gewinnen können. Vergangenes Jahr war sie Dritte hinter der Schwedin Ebba Aarsjoe und der Französin Marie Bochet gewesen. Letztere beendete ihre Karriere daraufhin. Doch die schwedische Alleskönnerin Ebba Aarsjoe (1700 Punkte) war erneut von Rieder (1260) nicht zu bezwingen. Dahinter versprechen zwei jüngere Talente – Aurelie Richard aus Frankreich und Claire Petit aus der Niederlande – spannende Wettkämpfe für die Zukunft. Rieder freut sich darauf, würde auch gerne für eine weitere große Kugel Platz in ihrem zu Hause finden – und für eine kleine. Einzig die für die beste Super-G-Fahrerin fehlt ihr noch.
Diese Ziele sind kommenden Winter von sekundärer Bedeutung, Prorität genießen die Paralympics in Italien. Nach dem Europacup kommende Woche im Pitztal und der anschließenden Zoll-Weltmeisterschaft gönnt sich Rieder erstmal ein bisschen Pause. Anschließend startet sie ihre Vorbereitung auf die olympische Saison, um für die Jagd nach Edelmetall gerüstet zu sein. Für Medaillen ist es ohnehin einfacher, Platz zu finden, als für die Glaskugeln.